Satis est enim in ceteris artificiis percipiendis tantum modo similem esse hominis et id, quod tradatur vel etiam inculcetur, si qui forte sit tardior, posse percipere animo et memoria custodire; non quaeritur mobilitas linguae, non celeritas verborum, non denique ea, quae nobis non possumus fingere, facies, vultus, sonus: in oratore autem acumen dialecticorum, sententiae philosophorum, verba prope poetarum, memoria iuris consultorum, vox tragoedorum, gestus paene summorum actorum est requirendus; quam ob rem nihil in hominum genere rarius perfecto oratore inveniri potest; quae enim, singularum rerum artifices singula si mediocriter adepti sunt, probantur, ea nisi omnia sunt in oratore summa, probari non possunt.
von christina.852 am 15.05.2017
Denn es genügt in anderen Fertigkeiten, lediglich einem Menschen ähnlich zu sein und das, was gelehrt oder gar eingeprägt wird, im Geist zu erfassen und im Gedächtnis zu bewahren, selbst wenn jemand vielleicht langsamer ist; nicht gesucht wird die Beweglichkeit der Zunge, nicht die Schnelligkeit der Worte, nicht zuletzt jene Dinge, die wir nicht selbst gestalten können - Erscheinung, Antlitz, Stimme: In einem Redner aber wird die Schärfe der Dialektiker, die Gedanken der Philosophen, die Worte fast der Dichter, das Gedächtnis der Rechtsberater, die Stimme der Tragödiendichter, die Gestik fast der größten Schauspieler gefordert; weshalb in der menschlichen Gattung nichts seltener gefunden werden kann als ein vollkommener Redner; denn jene Dinge, die, wenn Handwerker einzelner Fertigkeiten diese einzeln auch nur mäßig erlangt haben, gebilligt werden, diese können nicht gebilligt werden, wenn nicht alle im Redner auf höchster Ebene vorhanden sind.
von luzi.r am 10.01.2015
Bei der Erlernung anderer Fähigkeiten genügt es, grundlegende menschliche Fähigkeiten zu besitzen und das Gelehrte verstehen und behalten zu können, selbst wenn es für langsamere Lernende wiederholt werden muss. Man benötigt keine schnelle Zunge, keine rasche Rede oder Dinge, die wir an uns nicht ändern können, wie Aussehen, Gesichtsausdruck oder Stimmqualität. Ein Redner jedoch muss die Präzision eines Logikers, die Weisheit eines Philosophen, die Sprache eines Dichters, das Gedächtnis eines Rechtsgelehrten, die Stimme eines tragischen Schauspielers und nahezu die dramatischen Gesten der besten Darsteller vereinen. Deshalb gibt es nichts Selteneres als einen perfekten Redner: Während Spezialisten in anderen Bereichen Anerkennung finden können, indem sie in ihrer einzelnen Fähigkeit mittelmäßig gut sind, muss ein Redner in allen diesen Bereichen herausragen, um als erfolgreich zu gelten.